Anna Schneider

Ich bin Anna Schneider und meine Sehbehinderung sieht man mir auf dem ersten Blick nicht an. Zumindest ist es das, was die Menschen mir häufig als erste Reaktion entgegenbringen, wenn ich ihnen von meiner Behinderung erzähle. 

Ein Leitsatz meines ganzen Lebens: „Du musst den Leuten das erklären, sonst verstehen sie dich nicht. Wenn du den Menschen nichts von deinen Augen erzählst, können sie auch nicht besser damit umgehen.“ 

Häufig muss ich hierfür sehr Privates von mir preisgeben. Dabei bin ich sehr darauf bedacht, die Information bei meinem Outing in eine lustige Anekdote zu verpacken, damit kein unangenehmes Schweigen entsteht oder Menschen unsicher sind, wie sie mit der Information umgehen sollen. Ich bemühe mich also darum, dass es meinem Gegenüber mit meinem Outing gut geht. Ja, ich würde es als Outing beschreiben. Ein Outing, bei dem mir keine Wahl bleibt, ob ich es erzähle oder nicht. Denn es stimmt, oftmals ist es notwendig, oder zumindest nicht zu vermeiden, diese Information über mich zu teilen. Trotzdem fühle ich mich nicht immer bereit, und auch nicht immer in der Stimmung dazu über etwas zu sprechen, das nicht jeden Menschen etwas angeht. Ich habe allerdings das Gefühl, dass das von mir verlangt wird. Weil es mir tatsächlich oft den Alltag erleichtert, oder unangenehme Situationen dadurch vermieden werden können. 

Dennoch stört mich an dem Leitsatz der Aspekt, dass „andere mich dann besser verstehen können“. Als ginge es mehr um sie als um mich und mein Wohlbefinden. Kein einziges Mal wurde mir bisher gesagt: „Ich verstehe, dass du da gerade etwas sehr Privates teilst, dass ist mit Sicherheit nicht immer leicht.“ Oder „Es ist okay, wenn du nicht mit jedem diese Information teilen möchtest.“ Das hätte mir geholfen und den gefühlten Druck etwas nehmen können.

Ich habe oft das Gefühl, egal ob ich offen damit umgehe oder nicht, so richtig gehöre ich in beiden Fällen nicht dazu. Wenn ich offen über meine Behinderung spreche, mache ich das, damit mein Gegenüber besser Bescheid weiß und mit mir umgehen kann, nicht, weil ich es unbedingt preisgeben möchte. Teile ich diese Information nicht mit anderen, habe ich wiederum das Gefühl einen Teil von mir verstecken zu müssen. Kommt es dann doch zu einer Situation, in der es sich nicht vermeiden lässt mich zu outen, fühle ich mich manchmal wie ertappt.